Montag, 18. Februar 2008

Märzmelodie

So, nun ist sie vorbei, die glamouröse kunterbunte wuselige 58. Berlinale. Das war ja fast schon ein Overkill - nicht nur cineastisch, sondern auch in Sachen Stars auf dem roten Teppich. Nun kehren wieder ruhigere Zeiten ein. Und damit kommt auch wieder Zeit für einen kleinen Nachtrag in Sachen Drehort Berlin - der ja bei der diesjährigen Berlinale keine große Rolle spielte:

Zeitgleich mit den Filmfestspielen kam nämlich die X-Filme-Produktion "Märzmelodie" ins Kino. Das bemerkenswerteste an diesem Film sind die "Gesangseinlagen", kurze Liedzeilen, die den Akteuren via Playback in den Mund gelegt wurden. Das ist nicht immer ganz rund: Oft sind die Lied-Schnipsel sehr kurz und fügen sich nicht gut ein. Manchmal jedoch hilft diese amüsante Idee über eine schwache Stelle in der Handlung hinweg und funktioniert als Dialog richtig gut. Aber genug vom Singen - hier geht es doch ums Drehen! Und: Ja, natürlich, es wurde in Berlin gedreht. Die Museumsinsel ist wiederzuerkennen, der Gendarmenmarkt und der ein oder andere schöne Blick über Kreuzberger und Schöneberger Dächer. Aber eins fehlt: Der Drehort Friedhof! Dass dort gedrehrt wurde, hatte ich selbst per Zufall im Mai 2007 entdeckt und festgehalten (siehe Foto). Und ich hatte mich schon darauf gefreut, über die Friedhöfe an der Bergmannstraße zu schreiben. Offensichtlich ist die Beerdigungsszene aber am Schneidetisch rausgeflogen - keine Spur ist davon im Film zu sehen! Na dann muss ich wohl auf die DVD warten um eine Blick auf die "Deleted Scenes" werfen zu können ...

Montag, 11. Februar 2008

Kirschblüten (Berlinale II)

"Drehort Berlin" hat sein erstes BONUSKAPITEL: "Ein Tanzteppich fürs Off-Theater". Aus Anlass der Berlinale-Premiere von "Kirschblüten - Hanami" von Doris Dörrie, stelle ich es hier zum Download und im Folgenden zum Lesen bereit. Bitteschön:


Ein Tanzteppich fürs Off-Theater


Wenn ein Film wie Doris Dörries Berlinale-Beitrag »Kirschblüten« an so spektakulären Drehorten wie dem japanischen Berg Fuji spielt, dann ist das für die Filmcrew ein kleines Abenteuer, das sie nicht so schnell vergisst. Doch auch in Berlin hat »Kirschblüten« Spuren hinterlassen, allerdings ganz anderer Art.

Am Anfang steht die Idee. Meist ist es eine Geschichte, die zum Film wird. Manchmal ist sie dem wahren Leben entliehen, manchmal ist es die Umsetzung eines Romans. Es gibt auch Filme, bei denen zuerst die Musik da war, so zum Beispiel bei Paul Thomas Andersons »Magnolia« (USA 1999). Anderen Filmen, wie etwa Wim Wenders »Der Himmel über Berlin« (D/F 1987, Dreh­ort 14 in »Drehort Berlin«), liegt wiederum ein poetischer Text anstelle eines Dreh­buchs zugrunde. Nichts ist unmöglich - auch nicht, wenn erst die Drehorte feststehen und später die Handlung dazu kommt. So ist es offensichtlich bei »Kirschblüten - Hana­mi« gewesen, für den Regisseurin und Drehbuchautorin Doris Dörrie bei meh­re­ren Japan-Reisen Motive gesammelt hat: Ein kleiner See vor der imposanten Kulisse des Fuji oder eine original japanische Gäste­pen­sion. Japan hat es der Filmemacherin angetan. Schon für »Der Fischer und seine Frau« (D 2005) drehte sie in Fernost. Und genau wie bei diesem Film­projekt wirkt Japan vor allen Dingen als Gegensatz zum heimischen und vertrauten Süddeutschland. Dem Trubel, Lärm und Verkehr steht das biedere All­gäu entgegen. Dort, in Trudis (Hannelore Elsner) und Rudis (Elmar Wep­per) folkloristisch herge­richtetem Häuschen beginnt die Handlung, bevor die Hauptdarsteller ihr erstes Kontrastprogramm absolvieren: einen Berlin-Besuch.

Filminhalt »Kirschblüten - Hanami«
Rudi ist todkrank und weiß nichts davon. Seine Ärzte ziehen nur seine Frau Trudi ins vertrauen und bitten sie, die schlechte Nachricht zu überbringen. Doch sie bring es nicht übers Herz, versucht stattdessen ihren Ehemann zu einem letzten großen Abenteuer zu bewegen: einer Reise nach Japan, Trudis Traumziel. Doch der gemütliche Rudi läßt sich gerade mal dazu bewegen, die Kinder in Berlin zu Besuchen. Der Tripp nach Norden ist allerdings ein Rein­fall: Sowohl Klaus (Felix Eitner) als auch Karolin (Birgit Minichmayr) haben sich ihr eigenes Leben hergerichtet und empfinden den Elternbesuch als Stör­ung. Nur Karolins Freundin Franzi (Nadja Uhl) nimmt sich der Eltern an und besucht zusammen mit Trudi eine »Butoh«-Tanzvorstellung im ACUD-The­ater. Kurz darauf verläßt das Ehepaar Berlin für einen Kurzurlaub an der Ostsee - aus dem Trudi nicht zurückkehrt. Völlig überraschend stirbt nun sie und läßt Rudi verzweifelt zurück. Erst jetzt begreift er, dass er seine Frau an der Erfüll­ung ihrer Träume gehindert hat. Franzi berichtet ihm auf der Beerdigung von Trudis größtem Wunsch: Den Ausdruckstanz »Butoh« zu lernen und Japan zu sehen. Rudi kann damit wenig anfangen, doch er wagt es und besucht seinen Sohn Karl (Maximilian Brückner), der in Tokio arbeitet. Nur schwer findet sich Rudi in der fremden Stadt zurecht, bis er eines Tages auf die junge Butoh-Tänzerin Yu (Aya Irizuki) trifft. Sie benutzt den Tanz, um ihre Trauer um die verstorbene Mutter zu verarbeiten. Yu und Rudi freunden sich an und fahren schließlich zum heiligen Berg Fuji. Rudi hat mittlerweile seinen Weg der Trauer um Trudi gefunden: Er besucht für sie alle ihre Traum-Orte. Der Fuji ist seine letzte Station. An seinem Fuße tanzt er noch einmal in Erinnerung an seine Frau, bevor ihn seine Krankheit niederstreckt.

Von der Ostsee bis zum Fuji
So anrührend die Geschichte um den trauernden Rudi ist, so ambitioniert war auch das Filmprojekt. Doris Dörrie scheuchte ihre Schauspieler vom Allgäu, nach Berlin, an die Ostsee und nach Japan. Das klingt nach aufwändigen und kostspieligen Dreharbeiten wie sie sich in der deutschen Filmlandschaft nur für Blockbuster lohnen. Da Dörries Film jedoch eher auf ein Arthouse-Publikum zielte, musste eine Alternative gefunden werden. Und die hieß: »Kleines Team, digitale Technik«, wie es Dörrie selbst knapp formulierte. Gespart wurde bei »Kirschblüten« auch an Catering, Wohnwagen und einem ganzen Tross an Helfern. Das Ergebnis dieser »Lean-Production« kann sich aber durchaus mit aufwändigeren Produktionen messen. Die digitalen Bilder sind stimmig, die Geschichte ist überzeugend und die Schauspieler mitreißend - besonders Elmar Wepper als trauernder Ehemann. Auch die Drehorte, die Ursprünge des ganzen Filmprojekts, können sich sehen lassen. Natürlich überragt der mystische Fuji alle anderen Locations. Dafür hat Dörrie mit dem Drehort ACUD in Berlin ein wahres Kleinod ausgegraben.

Pressetermin im ACUD

Der Tanz in Berlin

Einen Drehtag lang sah es in Berlin gar nicht so aus, als wäre »Kirschblüten« eine schlanke Produktion. Im Gegenteil: Die Schauspieler wurden geradezu umringt von Kameraleute und Mikrofonen. Die gehörten allerdings nicht zum Filmteam, sondern zur geladenen Presse. Im April 2007 durften Journalisten etwas hinter die Kulissen des Drehs gucken und kamen dafür ins ACUD, einem Kunstverein in der Berliner Veteranenstraße. Hier hatten sich alle versammelt: Erfolgsregisseurin Dörrie, ihre beiden Hauptdarsteller, Nadja Uhl alias Franzi und Tadashi Endo, der Butoh-Tänzer. Für viele der Journalisten war es die erste Begegnung mit einem Butoh-Tänzer. Weiß geschminkt präsentierte er sich im Hof des Hauses, das angegraute Haar umwallte in einer wilden Mähne sein Gesicht, die Miene blieb ernst. Was genau Butoh ist, läßt sich nur schwer beschreiben. Endo zeigt es im Film: mal bewegt er sich pantomimisch über die Bühne, mal stürzt er wuchtig auf den Boden, mal tanzt er mit einer unsicht­baren Partnerin. Butoh ist ein sehr unkonventioneller Ausdruckstanz, der in den 1980er Jahren in Japan entstanden ist. Tadashi Endo ist einer der weltweit bekanntesten Butoh-Tänzer, er stand Dörrie bei den Dreharbeiten zur Seite. Sein eigener Auftritt im Film ist nur kurz, doch sein Tanz im ACUD-Theater ist das Highlight für die Filmfigur Trudi.

Ein Teppich als Honorar
Begeistert haben Tanz und Dreh aber auch jemand anders: Felix Goldmann, den Leiter des ACUD-Theater. Die kleine Spielstätte im ersten Stock des ehe­maligen Wohnhauses in der Veteranenstraße 21 kann Werbung gut gebrauchen, den sie steht in harter Konkurrenz innerhalb der Berliner Off-Theaterszene. Außer­dem war Goldmann als Kreativer schnell als Unterstützer des Films gewon­nen. Die wenige Überzeugungsarbeit, die dafür nötig war, hat Szenen­bildnerin Bele Schneider übernommen, die den Drehort ACUD in einer Mit­tags­pause entdeckte. »Eine Straßenecke weiter liegt der Laden der Film­figuren Karolin und Franzi. Für das Theater hatten wir eigentlich schon andere Vorschläge von Location-Scouts,« erinnert sie sich, »aber das ACUD hat mich und alle anderen sofort begeistert.« Das Theater wurde schließlich für einen Dreh­tag im April 2007 gebucht, über die Miete war man sich schnell einig. Doch bei einer weiteren Begehung stellten die Filmproduktion fest: Es fehlt ein Tanzteppich! Und ohne den dicken, glatten Kunstoffbelag über dem Holzboden der Bühne konnte Tänzer Endo kein Butoh tanzen. »Wir haben dann vorge­schlagen, dass die Filmproduktion den Teppich kauft und dem Theater über­lässt,« erzählt Bele Schneider. »Felix Goldmann hat dazu als erstes gesagt: 'Der ist aber teuer!'.« Einverstanden war er trotzdem. Und damit war klar: Das The­ater bekommt einen neuen Tanzteppich und die Miete für den Drehort entfällt. »Das ist natürlich toll für uns, denn wir haben öfter Tanz­veranstaltungen hier und der fehlende Bodenbelag war immer ein Problem«, sagt Felix Goldmann zufrieden.

In sicheren Händen mit unsicherer Zukunft
Die ungewöhnliche Art, wie das alternative Theater zu seinem Tanzteppich kam, ist eigentlich sehr typisch für den Kunstverein ACUD, der in einer kleinen Galerie in der Rykestraße in Prenzlauer Berg seinen Ursprung hatte. Impro­visation war hier an der Tagesordnung, geregelt verlief kurz nach dem Mauer­fall nur wenig in Ost-Berlin. Für die Räume der Galerie, deren Name sich aus den Anfangsbuchstaben ihrer Betreiber zusammensetzte, wurde keine Miete gezahlt, Räumungsklagen ließen dementsprechend nicht lange auf sich warten. 1991 zog das ACUD in die Veteranenstraße um. Das Wohnhaus mit freiem Blick auf den Volkspark am Weinberg wurde seinerzeit von der Wohnungs­bau­gesellschaft Mitte (WBM) günstig ver­mietet, der Kunstverein hatte relativ freie Hand bei der Einrichtung von Café, Gale­rie, The­ater. Konzertsaal und Kino. Doch schon bald gab es den ersten Ärger: Der lu­kr­a­tive Baugrund vor dem Haus sollte ge­nutzt werden, die WBM wollte dort ein weiteres Haus bauen. Das ACUD wäre damit zum Hinterhaus geworden. Das stieß auf Widerstand. Doch diese Querelen wa­ren vergleichsweise harmlos gegenüber dem, was folgen sollte. Denn es stellte sich heraus, dass die Wohn­ungsbaugesellschaft gar nicht der rechtmäßige Eigentümer von Haus und Grund war. Ältere Ansprüche wurden 1998 für rechtmäßig erklärt und die Bleibe des ACUD gehörte damit einer weltweit ver­streu­ten Erben­ge­mein­schaft. Und die wollte ihre Errungenschaft. Immerhin ein Haus in Berlins boomender Mitte, zu möglichst viel Geld machen - egal was mit den aktuellen Mietern passiert. Nach langem Zittern und Bangen um die Existenz des alternativen Projekts ACUD wendete sich schließlich doch alles zum Guten. Nun ist die Stiftung »Umverteilen!« Eigentümer des Hauses, der Kunstverein ACUD hat eine Erbbau-Pacht.
Kurz nach der Jahrtausendwende wurden fast alle Bereiche in der Veteranen­straße 21 neu gestaltet. So zog etwa das Kino um und das Theater bekam einen größeren Raum. Doch nicht nur das ACUD hat sich verändert, auch sein Umfeld: Aus vielen ehemals besetzten, heruntergekommenen Häusern in der Nach­bar­schaft sind gepflegte Eigentumswohnungen geworden. Szene und Kiez vollziehen einen deutlichen Wandel. Theaterleiter Felix Goldmann spricht von einer Übergangs­phase. Der Kunstverein ist nicht mehr nur alternativ, aber auch nicht einfach »In«. »Wir wissen nicht, wohin es geht,« sagt Goldmann. Sicher ist hier, wie in ganz Berlin nur eins: Die Veränderung.

Weitere Drehorte in Berlin: Kastanienallee, Oranienburger Straße, Steglitz (Wohnsiedlung)

Besucher-Info: Der Kunstverein ACUD stellt sich und sein Programm auf der Website www.acud.de umfassend dar.

© Markus Münch 2008. Hinweise zum Nachdruck in der PDF-Version sind unbedingt zu beachten!




Samstag, 9. Februar 2008

Berlinale I

So, nun ist sie schon in vollem Gange, die 58. Berlinale. Da werd ich mich mal gemütlich zurücklehenen und den Kollegen die Arbeit überlassen. Denn wie in jedem Jahr weckt die Berlinale ein plötzliches, übermächtiges Interesse an allem rund ums Kino - da will kein Medium zurückstecken. Besonders gefreut hat mich eine Geschichte im Zeit-Magazin Leben (Nr.7) mit dem Titel "Am Ende ist alles Kulisse". Passend zu den aktuellen Querelen um die Schließung des Flughafens Tempelhof gibt es eine schöne Fotostrecke zu verschiedenen Dreharbeiten rund um den Flughafen. Auf dem ersten Bild (s.u.) sieht man sehr gut, dass Billy Wilders Flughafen-Szenen in "Eins, Zwei, Drei" tatsächlich in Kulissen in München-Geiselgasteig gedreht wurden. (siehe auch Drehort Berlin, Kapitel 9).


Auf der Berlinale selbst lohnt sich in Sachen "Drehort Berlin" diesmal besonders ein Besuch der Sektion Perspektive Deutsches Kino. Sechs der 13 hier gezeigten Filme spielen in Berlin, der Tagesspiegel-Artikel "Mein Nachbar, der Held" gibt darüber einen guten Überblick. Aber auch im prestigeträchtigen Wettbewerb ist ein Film mit Drehort Berlin: "Kirschblüten - Hanami" von Doris Dörrie. Darum habe ich mich dann doch mal selbst gekümmert: Nach der Premiere des Films am Montag, 11.02.08 um 19 Uhr, werde ich zu "Kirschblüten" und dessen Berliner Drehort, dem ACUD, hier ein BONUS-KAPITEL zu "Drehort Berlin" veröffentlichen!