„Tom Cruise möchte die Geschichte des Hitler-Attentäters Stauffenberg in Berlin drehen.“ Mit solch einer harmlosen Meldung fing das an, was mittlerweile nur noch als Posse bezeichnet werden kann: Der Streit um mögliche Drehorte für Cruise Spielfilmprojekt „Valkyrie“.
Tom Cruise Produktionsfirma hat für den geplanten Dreh als erstes beim Bundesverteidigungsministerium (BMVG) anfragen lassen, ob man auch am Originalschauplatz Bendlerblock, einem Teil des ehemaligen Reichswehrministeriums in der Berliner Stauffenbergstraße filmen könne. Hier wurden in der Nacht zum 21. Juli 1944 die vier führende Köpfe der geheimen „Operation Walküre“ (so der Deckname für die Planung des Attentats), unter ihnen Claus Graf Schenk von Stauffenberg, standrechtlich erschossen. Die Dreh-Anfrage an den heutigen Hausherren Franz Josef Jung (CDU) erscheint völlig logisch, denn der historische Ort ist gut erhalten und würde sich hervorragend für Dreharbeiten eignen. Das sah Bundesverteidigungsminister Jung anders. Die Voranfrage wurde abgelehnt. Zur Begründung hieß es, der Ort würde an Würde verlieren. Das mag Tom Cruise bekannt vorgekommen sein. Mit einem ähnlichen Wortlaut war seine Anfrage wegen möglicher Dreharbeiten im Berliner Reichstagsgebäude für „Mission: Impossible III“ zurückgewiesen worden (siehe auch "Drehort Berlin", S. 52). Allerdings galt Wolfgang Thierses Absage 2004 für ALLE Filmproduktionen. Das BMVG aber war nicht so konsequent: Regisseur Jo Baier durfte 2003 "Stauffenberg" im Bendlerblock drehen.
Ein Hausherr bestimmt über sein Gebäude und die Bundesregierung sieht sich - zu recht - in einer besonderen Verantwortung für ihre teilweise historischen Liegenschaften. Sie ist immerhin (wie jede Behörde) verpflichtet, solche Anfragen zu prüfen und kann sie nur mit einer sachlichen Begründung ablehnen. Privatpersonen oder Vereine können einfach so „Nein!“ sagen. Für Filmemacher kann das sehr ärgerlich sein. So hatte z.B. Florian Henckel von Donnersmarck, der Regisseur des Oskar gekrönten Dramas „Das Leben der Anderen“, vom Betreiberverein des Stasigefängnis-Museums in Hohenschönhausen keine Drehgenehmigung bekommen. Für Donnersmarck war das eine schwere Schlappe, schließlich war des Gefängnis eines der Hauptmotive - und musste für den Film an ganz verschiedenen anderen, ähnlich aussehenden Orten gedreht werden (siehe "Drehort Berlin" S. 203).
Das versucht Cruise für „Valkyrie“ nun auch und hat sich daher an die Berliner Polizei gewandt. Die ist Eigentümerin einer ehemaligen Kaserne im Neorenaissancestil in der Kreuzberger Friesenstraße. Das weitläufige umschlossene Gelände eignet sich offensichtlich für Dreharbeiten und mag als Bendlerblock-Ersatz durchgehen - auch wenn dessen historischer Hintergrund ein völlig anderer ist. Erfolg hatte Cruise mit seiner Anfrage auch hier nicht, die „Beeinträchtigungen für die auf dem Gelände tätigen Dienststellen“ seien zu gravierend, hieß es in der Absage der Polizei. Auch das ist eine sachliche Begründung. Doch um Sachlichkeit geht es beim Thema Cruise und Stauffenberg schon lange nicht mehr.
Cruise sorgt für Wirbel - nicht als Produzent oder Schauspieler, sondern als bekennendes Mitglied von Scientology. Die umstrittene Religiongemeinschaft wird in Deutschland von den Strafverfolgungsbehörden streng beäugt und ist für viele Politiker ein rotes Tuch. So kamen schnell Anwürfe ins Spiel, Cruise dürfe wegen seiner Funktion als Gallionsfigur von Scientology nichts mit Stauffenberg zu tun haben. Der Vorsitzende des Bundestag-Kulturausschusses, Hans-Joachim Otto (FDP), nannte die geplante Besetzung der Rolle Stauffenbergs mit Tom Cruise nur „unsensibel“. Die Sektenbeauftragte der CDU, Antje Blumenthal, geht viel weiter und führt ihre Kritik an Scientology gegen die Dreharbeiten im Bendlerblock ins Feld: „Ich freue mich, dass wir eine Drehgenehmigung für einen ranghohen Scientologen
in einem Bundesgebäude verhindern konnten. Das wäre einer bundespolitischen Anerkennung gleichgekommen." (Pressemitteilung PDF)
Bei aller berechtigten Skepsis gegenüber der Organisation Scientology - mit einer sachlichen Begründung für die Ablehnung hat das nicht mehr viel zu tun. Entsprechend reagierten auch andere Filmemacher, etwa Henckel von Donnersmarck. Er sprach von einem „Verbotszirkus“ und argumentierte in der FAZ, dass Cruise als Stauffenberg das Ansehen Deutschlands mehr befördere als es zehn Fußball-Weltmeisterschaften hätten tun können. Es gehört auch wirklich nicht viel dazu, Tom Cruise als Schauspieler und Produzenten gegen Anfeindungen zu verteidigen. Denn jenseits seiner Scientology-Mitgliedschaft hat der Hollywood-Schauspieler einen recht guten Leumund.
„Minority Report“ (nach einer Geschichte von Philip K. Dick), in dem Cruise 2002 die Hauptrolle spielte, wurde hoch gelobt und strotzt nur so vor Gesellschaftskritik derer sich auch die aktuelle Bundesregierung durchaus annehmen könnte. Auch mit anderen Rollen wie etwa in Stanley Kubricks' Traumnovellen-Adaption „Eyes wide shut“ oder in „Krieg der Welten“, der Neuverfilmung des H.G. Wells-Klassikers, verdiente sich Cruise den Respekt der Kritiker. Nie war ihm dabei Werbung für Scientology zu unterstellen - im Gegenteil. In „Magnolia“ mimt er selbst einen deutlich überzeichneten Sektenanführer und unterstützt damit offen Kritik an derartigen Organisationen.
Nichtsdestotrotz ist es legitim, sein Engagement bei Scientology zu kritisieren. Allerdings nicht mit dem Schluß, ihn mit einem Arbeitsverbot in Deutschland zu belegen. Eine offene, sachliche Auseinandersetzung mit der umstrittenen Religionsgemeinschaft steht dem Filmprojekt „Valkyrie“ nicht im Wege. Und das Filmprojekt ist sicherlich unterstützenswert. Nicht nur wegen der historischen Bedeutung Stauffenbergs und seiner Mitstreiter. Auch nicht, weil Berlin und Brandenburg an den Filmarbeiten ordentlich verdienen und das Ansehen Deutschlands durch eine positive Filmfigur gehoben wird. Sondern einfach, weil die Geschichte rund um das gescheiterte Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 - rein filmisch gesehen - einfach ein wirklich guter Stoff ist.